Neun Monate, seit sie wusste, dass sie diesen Job übernehmen wird, hatte Veronika Steinböck, die neue künstlerische Leiterin des Kosmos Theaters, Zeit ein Stück auf die Bühne zu bringen, mit dem sich passend die neue Spielzeit einläuten lässt. Seit der Bekanntgabe des Programms Mitte Oktober war klar, es wird ein Stück über Mutterschaft. „Mütter“ – so lautet der knappe Titel – feierte am 31. Oktober Premiere. Regie führt Milena Michalek – Tochter der Intendantin, die bei einem Newcomerprojekt im Theater Drachengasse auf sich aufmerksam machte.
Den Text verfasste die erfolgreiche Jung-Regisseurin in Kooperation mit dem Ensemble – eine „Stückentwicklung“ wie es im Untertitel heißt.
Das Ergebnis ist eine Collage, die humorvoll (stellenweise an ein Kabarettprogramm erinnernd) mit weiblichen Zuschreibungen, Klischees und wissenschaftlichen Diskursen spielt. Gekonnt wechseln die Schauspielerinnen in knapp 90 Minuten von Rolle zu Rolle. So plagt sich Alice Peterhans (im gelb-braunen Superheldinnen-Ganzkörperanzug) eben noch schwanger mit ihren Ängsten vor der künftigen Verantwortung, um nur wenig später als Versorgerin ihrer depressiven Mutter in Erscheinung zu treten. Mütter sind eben auch nur Menschen. Menschen, auf denen nicht selten ein enormer Druck lastet. Und trotzdem: Mutter im Lebenslauf anzugeben ist nach wie vor ein No-Go. Wie aber schafft man es dennoch Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen? Und „was machst du, wenn du als Frau weder Kinder hast, noch Karriere machst“?

Von Reproduktionsmaschinen und Liebe im Kapitalismus

Antworten auf diese vielerorts bekannte Problematik erhält man allerdings auch im Kosmos Theater nicht. Dafür wird man immerhin bestens unterhalten. Auch als Nicht-Mutter. Denn „Mütter“ ist definitiv nicht nur ein Stück für Mütter. Mutterschaft ist immerhin ein Thema, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Was sich ändern könnte, wenn wir die Reproduktion Maschinen überlassen, darüber reflektiert Claudia Kainberger in der Rolle einer engagierten Wissenschaftlerin. Ihre Erfindung, die „Moving Mary“, soll es als externe künstliche Gebärmutter ermöglichen Frauen vom Akt der Reproduktion zu lösen. Was sich im ersten Moment als Gerät auf dem Weg zur Gleichberechtigung darstellt, hinterlässt jedoch bei näherer Betrachtung – als Zuchtmaschine für Soldaten – einen bitteren Beigeschmack.

Nicht das einzige Mal, dass „Mütter“, wenn auch pointiert hintergründig, politisch wird. Fesselnd ist auch die Darstellung von Kainberger als Erzählerin der Liebesgeschichte zwischen Ronald und Nancy Reagan. „Die Liebe ist der Kommunismus im Kapitalismus“, lautet einer der Sätze, die zu denken geben. Soziales Engagement erscheint im Kapitalismus als Aufgabe der Frauen anstelle des Staates. Wie schön, dass es die Liebe gibt. Generell ein Thema, das den Abend sanft durchzieht. Liebevoll beschreiben die drei Schauspielerinnen Mütter. „Meine Mutter zieht im Theater immer ihre Schuhe aus“, „meine Mutter glaubt gegenüber wohnen Terroristen“. Man muss eben doch nicht perfekt sein als Mutter. Beruhigend zu hören. Die „Geburt“ des ersten Stückes ist für Steinböck und Team jedenfalls schon einmal gut verlaufen. Mit „Begehren“ von Gesine Schmidt – ein auf Interviews basierender vielstimmiger Text, der mit Live-Musik die Besucherinnen und Besucher auf eine sinnliche Entdeckungsreise schickt – und „Les Reines Prochaines“ – Konzert und „Körpergedichte für das feministisch und dadaistisch geschulte Publikum“ samt Familie – stehen dieses Jahr noch zwei weitere Premieren auf dem Programm.

MÜTTER
Eine Stückentwicklung
Weitere Termine: 6. bis 10. und 13. bis 16. November 2018, jeweils 20.00 Uhr
Der vorerst letzte Termin findet am Samstag, 17. November im Rahmen der Europäischen Theaternacht statt

Mit: Claudia Kainberger, Anna Kramer, Alice Peterhans sowie Daniel Jocic, Karim Taelab, Marwan Taelab, Tarek Taelab

Kosmos Theater
Siebensterngasse 42
1070 Wien
www.kosmostheater.at

Fotos: © Bettina Frenzel

Geschrieben von Sandra Schäfer